Wald-Grasland-Mosaik in Brasilien
In den immerfeuchten Subtropen der Südhemisphäre herrscht heute ein mehr oder minder humides Klima, das grundsätzlich das Vorkommen von Wäldern ermöglicht. Trotzdem gibt es keinen durchgehenden Waldgürtel; vielmehr besteht die Vegetation wenigstens in den etwas höheren Gebirgslagen (oberhalb etwa 800 m üNN, also weit unter der potenziellen klimatischen Waldgrenze) häufig aus einem Mosaik aus Wäldern und baumfreiem Grasland. Letzteres kann auch zur dominanten Vegetationsform werden: Die Landschaft erinnert dann an die Steppen der semiariden Mittelbreiten. Die Wälder bestehen vorwiegend aus immergrünen, lorbeerblättrigen Bäumen; in Südbrasilien kommen auf der Hochfläche des Gebirges (hier als Serra Geral bezeichnet) auch Wälder aus dem Tertiärrelikt Araucaria angustifolia vor.
Dieses, aufgrund des Allgemeinklimas nicht erklärbare Mosaik, war schon von jeher Gegenstand für verschiedene Deutungsversuche. Diese reichen von anthropogenen Eingriffen (Waldvernichtung durch die indianischen Ureinwohner und frühen Kolonisatoren) bis hin zu komplizierten Wechselwirkungen zwischen Klima und Böden. Paläoökologische Untersuchungen haben aber gezeigt, dass das Grasland vermutlich ein Relikt des Hoch- und frühen Postglazials ist; unter dem damals herrschenden Klima (trockener und kühler als heute) konnte sich eine vorwiegend aus hochwüchsigen, horstigen C 4 -Gräsern bestehende Vegetation entwickeln. Ihre Persistenz bis heute lässt sich anfänglich vielleicht noch durch die Tätigkeiten einiger Großherbivoren erklären, die inzwischen längst ausgestorben sind. Weitaus bedeutsamer dürften Brände gewesen sein, die ähnlich wie in den Savannen die Ansiedlung von Gehölzen erschweren und nur dort Wald zulassen, wo aufgrund des Reliefs Feuerbarrieren existieren. Seit der Kolonisation durch die Portugiesen herrscht eine extensive Weidewirtschaft; die großen Viehfarmen brennen das Grasland weitaus häufiger ab als dies natürlicherweise der Fall ist, und schwenden aufkommende Gehölze. Das heute anzutreffende Mosaik dürfte deshalb nur zum Teil natürlich sein; wie rasch der Wald vordringt, auf welche Weise er dies tut (mit oder ohne "vorbereitende" Gehölze) und welchen Widerstand gegebenenfalls das Grasland dem entgegensetzt, ist unbekannt.
Diese Fragen haben auch Bedeutung für die landwirtschaftliche Nutzung und ein naturschutzorientiertes Management. Ein Beispiel ist die Umgebung des Ballungsraums Porto Alegre. Das hier herrschende Mosaik aus Lorbeerwald ("Mata atlantica") und Grasland ist aus mehreren Gründen in hohem Maße schutzwürdig. Erstens ist der hier vorkommende Waldtyp (mit seinem Reichtum an Epiphyten und tropischen Florenelementen aus dem brasilianischen Küstenregenwald) seit der Kolonisation sehr selten geworden; die meisten Wälder wurden durch ungeregelte Holzentnahme stark verändert oder gänzlich zugunsten landwirtschaftlicher Kulturen beseitigt. Ihre Restbestände zu erhalten, ist deshalb ein Ziel der Umweltbehörden. Zweitens gibt es im Grasland einige Endemiten, die als besonders schutzwürdig gelten. Drittens entwickelt sich das Mosaik zu einem beliebten Naherholungsgebiet für die Bevölkerung. Viertens greift inzwischen eine ungeregelte Siedlungstätigkeit der Außenbezirke auf das Gebiet über; es kommt zu wiederholten Bränden. Aus dieser Situation heraus ist die Kenntnis der Natürlichkeit des Mosaiks, der Steuerfaktoren für dessen Entstehung und Stabilität sowie dessen Dynamik von entscheidender Bedeutung für ein naturschutzoptimiertes Management dieser überregional bedeutsamen Vegetationstypen.
Forschungsschwerpunkte
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Untersuchung derjenigen vegetationsökologische Prozesse, die Entstehung und gegenwärtige Interaktion des Wald-Grasland-Mosaiks erklären und damit eine Modellierung der weiteren Entwicklung der Vegetation unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien (z. B. unterschiedliche Nutzungsformen) erlauben.
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Analyse und Beschreibung von vegetationsökologischen Kriterien zur Kennzeichnung der Schutzwürdigkeit des Wald-Grasland-Mosaiks (z.B. Arten- und Gemeinschafts-Endemismus)
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Entwicklung von Methoden zur Bewertung der Schutzwürdigkeit der Vegetationskomplexe der Hügellandschaft (morros) in der Region Porto Alegre. Insbesondere geht es um die Bewertung für die Schutznotwendigkeit und Wiederherstellbarkeit in Hinblick auf seltene Arten und natürliche bzw. naturnahe Biotope.
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Entwicklung eines Schutzgebietssystems/Landnutzungskonzeptes für die Vegetationskomplexe der Region Porto Alegre, mit dem Ziel, die Entwicklung des urbanen Gebietes in umweltpolitisch nachhaltige Bahnen zu lenken. Die Einbeziehung der sozialen, ökonomischen und politischen Probleme der Gemeinde im Umfeld der schützenswerten Vegetationsbestände wird für künftige Planungsprozesse bedeutend sein.
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Umsetzung der Biodiversitätskonvention in urbanen Expansionsräumen am Beispiel der Stadt Porto Alegre
Bearbeitung: Dissertation Wolfram Adelmann, Diplomarbeit Annette Guse
Inhalt: Ziel ist die die Erarbeitung eines naturschutzfachlichen Leitbildes für die Entwicklung von Porto Alegre als Grundlage für eine naturschutzfachliche Bewertung des Gebietes sowie die Auswahl von Schutzgebieten bzw. Flächen mit hoher Naturschutzpriorität. Methoden: Kartierung der aktuellen Vegetation und der Landnutzung im Freiraumbereich der Gemeindeverwaltung Porto Alegre mit Schwerpunkt auf naturnahen Vegetationskomplexen der an die Stadt angrenzenden Hügel (morros) mithilfe von Luft- und Satellitenbildern. Rekonstruktion der historischen Landnutzung.
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Wirkung hochfrequenter Feuer auf das Verhalten repräsentativer Pflanzenfunktionstypen des Graslands
Bearbeitung: Dissertation Gerhard Overbeck, Diplomarbeit Sebastian Klebe
Inhalt: Ziel ist die Erarbeitung von Reaktionsmustern der Arten des Graslands auf wiederholte und zu verschiedenen Jahreszeiten auftretende Brände in Abhängigkeit von Bodentiefe (Durchwurzelungsintensität), Bodenart, Exposition und Hangneigung. Methoden: Kartierung repräsentativer Arten, Samenbank-analysen, Ermittlung der vegetativen und generativen Ausbreitung. Phänometrie. Keimungsbiologie, Feuerexperimente. Die Ergebnisse dienen u.a. als Grundlage für die Ermittlung des Naturschutzwertes und adäquater Managementverfahren.
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Endemiten Südbrasiliens: Populationsbiologie des Endemiten Moritzia ciliata und daraus ableitbare Management-Strategien
Bearbeitung: Diplomarbeit Tina Schlossorsch
Inhalt: Ziel ist es, das bisherige Wissen über die Endemiten des Graslands des südlichen Brasilien zusammenzufassen und am Beispiel von Moritzia ciliata die Voraussetzungen für eine arterhaltendes Management zu erarbeiten.
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Möglichkeiten und Grenzen des Konfliktmanagements für eine umsetzungsorientierte Naturschutz- und Landnutzungsplanung in der Peripherie lateinamerikanischer Ballungsräume am Beispiel von Porto Alegre/Brasilien
Bearbeitung: Dissertation Andrea Zellhuber, Diplomarbeit Björn Lindemann
Inhalt: Ziel ist die Entwicklung integrativer Naturschutzstrategien, welche die Notwendigkeiten der nachhaltigen Stadtentwicklung mit einbeziehen, indem sie, flankierend zu den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen über das Untersuchungsgebiet, die Bedürfnisse lokaler Bevölkerungsgruppen berücksichtigen und konkrete Ansätze liefern, wie Naturschutzziele in Einklang mit der sozialen Entwicklung gebracht werden können.
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Wirkung hochfrequenter Feuer auf das Verhalten von Waldrand- und Pioniergehölzen des Wald-Graslandmosaiks in der Umgebung von Porto Alegre
Bearbeitung: Dissertation Sandra Mueller
Inhalt: Ziel ist es, Art, Ausmaß und Geschwindigkeit des Vorrückens der subtropischen Wälder unter dem Einfluss häufiger (anthropogener) Brände zu erarbeiten. Dabei kommt der Dauer der Graslandbrache eine Schlüsselrolle zu, da angenommen werden muss, dass sich v.a. bestimmte Pioniergehölze trotz des dichten Grasfilzes bei Brache anzusiedeln vermögen. Methodik: Ausbreitungsstrategien von Gehölzen, Keimungsbiologie, Verhalten von Gehölzen nach Brand (resprouting). Feuerexperimente.
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Beitrag der Avifauna zur Ausbreitung von Gehölzsamen im Wald-Graslandmosaik der Umgebung von Porto Alegre
Bearbeitung: Dissertation Eduardo Dias Forneck
Inhalt: Ziel der Arbeit ist herauszufinden, welche der in den subtropischen Wäldern der Umgebung von Porto Alegre lebenden Vogelarten zur Ausbreitung von Samen beitragen und wie effizient diese Ausbreitung für die Waldentwicklung ist. Methoden: Samenfallen, Samenbank, Keimungsbiologie (im Experiment), avifaunistische Erhebungen (u.a. Populationsdichten).
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Einfluss von Feuer und Beweidung auf das Eindringen von Pioniergehölzarten ins Grasland
Bearbeitung: Dissertation Julia-Maria Hermann
Inhalt: Ziel ist die Erarbeitung von Einwanderungs- und Regenerationsstrategien repräsentativer Gehölzarten ins Grasland mit und ohne Einfluss des ortsüblichen Weidemanagements (Rinderbeweidung und ein- bis zweijähriger Brand) unter besonderer Berücksichtigung der Keimungs- und Etablierungsstadien dieser Gehölze. Methoden: Ermittlung natürlicher generativer Fortpflanzung bzw. vegetativer Vermehrung, Analyse von Diasporenbank und -ausbreitung, experimentelle Ermittlung des Keimungs- und Etablierungserfolges und des Regenerationsvermögens in Grasland unterschiedlichen Managements. Gemeinsam mit den Ergebnissen der deutschen und brasilianischen Kollegen sollen die Ergebnisse in ein Modell der Wald-Grasland-Dynamik in Rio Grande do Sul einfließen.
Forschungsgruppe Brasilien:
- Prof. Dr. Jörg Pfadenhauer
- Dr. Wolfram Adelmann
- Dr. Julia-Maria Hermann
- Prof. Dr. Gerhard Overbeck
assoziiert mit
- Prof. Dr. Michael Suda
- Dr. Andrea Zellhuber
- Prof. Dr. Maria Luiza Porto
- Prof. Dr. Valerio de Patta Pillar
FAM - Agrarökosysteme
Ziel des Forschungsverbundes Agrarökosysteme München (FAM) war die "Erfassung, Bewertung und Prognose nutzungsbedingter Veränderungen in Agrarökosystemen". Am Lehrstuhl für Vegetationsökologie wurden dazu zwischen 1990 und 2003 die Auswirkungen der Einführung nachhaltiger Bewirtschaftungssysteme und die Effekte einer naturschutzfachlich begründeten Landschaftsumgestaltung auf die Vegetation untersucht. Das Arbeitsprogramm umfasste zahlreiche, teilweise langfristige Erhebungen in Ackerflächen und Grünland, in linearen Strukturen und in Brachen. Schwerpunkte der Untersuchungen waren die langfristigen Einflüsse von ökologischem Landbau und reduzierter Bodenbearbeitung auf die Ackerwildpflanzen, die naturschutzbasierte Neuanlage bzw. Aufwertung von Grünland und linearen Strukturen und die spontane und gesteuerte Vegetationsentwicklung auf Acker- und Grünlandbrachen. Neben den Erhebungen im Bestand wurden dabei umfassende Analysen zur Populationsökologie und zur Diasporenbank im Boden durchgeführt.
Ein weiteres Arbeitsgebiet der Arbeitsgruppe Agrarökologie sind seit 2000 die Auswirkungen des Anbaus transgener Kulturpflanzen auf die Umwelt. Im Projekt "Persistenz und Ausbreitung von transgenen Kulturpflanzen und verwandten Wildpflanzen" (Laufzeit 2000-2004) wurde die Überlebensfähigkeit von transgenen und konventionellen Rapssamen im Boden näher untersucht. In das Untersuchungsprogramm wurden neben den Kulturpflanzen auch potenziell kreuzungskompatible Wildpflanzen einbezogen.
Ging man bei den bisherigen Untersuchungen zur Pollenausbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen vereinfachend davon aus, dass sich die Pollen von einem einzelnen Punkt ausbreiten, sollten im Projekt "Raumrepräsentativität technischer Pollensammler für ein Langzeitmonitoring von gentechnisch veränderten Pflanzen" (Förderungsdauer 2001-2005) Methoden für eine flächenrepräsentative Erfassung und Beschreibung der Pollenausbreitung entwickelt werden.
Im EU-Projekt SIGMEA (Sustainalbe Introduction of GMOs into the European Agriculture) ist der Lehrstuhl für Vegetationsökologie seit Herbst 2003 am Teilprojekt "Gene flow and ecological field studies" beteiligt. Aus diesen Projektmitteln wird die Modellentwicklung zur Pollenausbreitung (siehe oben) fortgeführt und die Einbindung der eigenen Ergebnisse in ein europäisches Datennetz gefördert.